Alles ist besser als Nichtstun

04.12.2023
Jobbegleiterin Alexandra Tarrach berät ihre Klienten in ihrem Haßfurter Büro.

Er nähme alles, sagt der Mann aus Afghanistan: „Ich möchte endlich etwas tun, irgendetwas!“ Seit Monaten, erzählt er der Bad Kissinger Jobbegleiterin Katharina Ferraro, sitzt er tatenlos herum. Seit Monaten wartet er auf einen Sprachkurs. „Er hält das Nichtstun nicht mehr aus“, berichtet die Mitarbeiterin der Initiative „Jobbegleitung“ des Kolping-Bildungszentrums Schweinfurt.

Der afghanische Mann ist ein typisches Beispiel für jene Klientinnen und Klienten, mit denen es Katharina Ferraro derzeit zu tun hat. Vielen Flüchtlingen geht es nicht gut, weil sie ohne Beschäftigung sind. Katharina Ferraro und ihre Kolleginnen versuchen alles, um Brücken in die Arbeitswelt zu schlagen.

Auch bei hoher Formalqualifikation: Es ist kompliziert

Besonders ist der afghanische Mann, der zusammen mit seiner Frau unlängst bei Katharina Ferraro saß, weil es nicht allzu viele Klienten gibt, die, wie diese beiden, einen Universitätsabschluss haben. Die Geschichte des Paars berührt die Jobbegleiterin sehr. „Beide waren in Afghanistan ziemlich hohe Tiere“, erfuhr sie im Gespräch. Der Mann arbeitete im Innenministerium von Kabul. Die Frau war Staatsanwältin. Hier sind die zwei trotz ihres akademischen Hintergrunds nun bereit, jedwede Art von Arbeit anzunehmen. „Die Frau zieht zum Beispiel in Betracht, als Quereinsteigerin im Reinigungsbereich zu arbeiten“, so Katharina Ferraro.

Völlig unterschiedliche Menschen kommen zu ihr und ihren beiden Kolleginnen Manuela Scholz aus Bad Neustadt und Alexandra Tarrach aus Haßfurt. „Ich hatte neulich eine Frau in der Beratung, die Islamwissenschaften studiert hat“, berichtet Manuela Scholz. Dass sie Akademikerin ist, unterscheidet auch diese Klientin von Ratsuchenden, die noch nicht einmal in ihrer Muttersprache gut lesen und schreiben können. Doch ein passendes Arbeitsfeld für eine Islamwissenschaftlerin zu finden, ist nicht so einfach? Die Frau könnte sich vorstellen, in einem Kindergarten tätig zu werden. Doch ob das klappt, ist ein bisschen unsicher, sagt ihre Jobbegleiterin: „Der Bereich ist für sie ganz neu, fast wie eine andere Welt.“ Aber eine Chance wäre es allemal.

Zumindest in den ersten Jahren ist es zugewanderten Menschen oft nicht möglich, in dem Beruf zu arbeiten, den sie gelernt haben oder in dem sie in ihrem Heimatland ungelernt tätig waren. Je größer der empfundene Abstand zwischen dem früheren Job und den aktuellen Jobmöglichkeiten ist, umso höher ist der Frust, der von den Jobbegleiterinnen aufgefangen werden muss. „Ist eine Frau sehr gut akademisch ausgebildet, steigt in den deutschen Arbeitsmarkt aber als unqualifizierte Hilfskraft ein, kann das frustrierend sein“, bestätigt Alexandra Tarrach.

Eine Hauptaufgabe der Jobbegleiterinnen besteht darin, Menschen mit einem Migrationshintergrund bei der Formulierung von Bewerbungsschreiben zu helfen. Nicht selten geht es außerdem auch darum, eine Anerkennung für den im Herkunftsland erlernten Beruf zu erhalten. Manuela Scholz hat es im Augenblick mit mehreren Personen aus Rumänien zu tun, die im medizinischen oder pflegerischen Bereich ausgebildet sind. Bis ihre Diplome von deutschen Behörden anerkannt werden, kann nach ihren Worten mitunter ziemlich lange dauern.

Gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Vor allem syrische Flüchtlinge sind meist sehr gut ausgebildet. Viele gingen zehn oder gar zwölf Jahre auf die Schule. Viele haben einen Bachelor-Abschluss in der Tasche. Vereinzelt gibt es auch Flüchtlinge aus Afghanistan mit Abitur. Die Jobbegleiterinnen haben es aber auch mit Afghanen zu tun, die höchstens vier Jahre lang die Schulbank drückten. Deutsch sprechen sie kaum. Erstaunlicherweise kommen sie im Moment dennoch relativ zügig unter. Zum Beispiel als Helfer im Lager. Als Minijobber im Einzelhandel. Oder als Hilfskraft in der Gastronomie.

Die Jobbegleiterinnen bekommen mit, dass Personal in diesen Branchen händeringend gesucht wird. Aus diesem Grund akzeptieren die Unternehmen inzwischen auch Mitarbeiter, die nahezu keine Deutschkenntnisse haben. „Man kommuniziert dann zum Beispiel über Bilder“, so Alexandra Tarrach. In vielen Fällen gibt es in den Firmen auch schon länger integrierte Kollegen aus dem betreffenden Land, die sprachlich vermitteln.

Der Arbeitswille der Menschen mit Migrationshintergrund ist immens, sagt Katharina Ferraro. Haben sie den gemeinsam mit ihr erstellten Lebenslauf in der Tasche, machen sie sich auf die Socken, um sich bei verschiedenen Unternehmen zu bewerben. „Ich will unbedingt arbeiten!“ Das hört die Jobbegleiterin von den meisten Projektteilnehmern.

Die oft schlechten Deutschkenntnisse bereiten ihr trotz des aktuell entspannten Arbeitsmarkts Sorgen. Zeichnet sich ab, dass es mittelfristig nicht möglich sein wird, einen Sprachkurs zu besuchen, berät die Mitarbeiterin des Kolping-Bildungszentrums in Richtung Online-Lernen. „Ich zeige zum Beispiel, wie man ins Lernportal kommt“, schildert sie.

Mannigfaltige Aufgaben in der Jobbegleitung

Überhaupt schauen die Jobbegleiterinnen nach links und nach rechts. Es geht also nicht ausschließlich darum, Brücken in den Arbeitsmarkt zu schlagen oder beim Einstieg in eine Ausbildung oder in einen Job zu unterstützen. Die Jobbegleiterinnen haben auch jene Probleme im Blick, die mitunter verhindern, dass jemand eine Arbeit aufnehmen kann. „Familiennachzug ist zum Beispiel manchmal ein Thema bei mir in der Beratung“, berichtet Manuela Scholz. Nun hilft sie zwar nicht direkt, dass Frau und Kinder eines Geflüchteten nach Deutschland ziehen können: „Doch wenn jemand mit entsprechenden Schreiben von Behörden kommt, erkläre ich, was darin steht.“

Die Klienten sind unglaublich dankbar für das Angebot Jobbegleitung. „Manche fragen mich, was ich denn für meine Hilfe bekomme“, schmunzelt Manuela Scholz. Dann winkt sie ab. Was die Flüchtlinge gar nicht fassen können. Erleben sie es doch ständig, dass sie, klopfen sie irgendwo an, abgewimmelt werden, schlicht, weil es keine Termine gibt.

 

Pat Christ