„Super, fangen Sie am Montag an!“
Schon in ihrer Jugend hat sich Lina-Marie Janke sehr für Computer interessiert. Dennoch lernte die heute 34-Jährige zunächst Kfz-Mechatronikerin, bevor sie in ein IT-Studium einstieg. Bis April 2020 war sie berufstätig, dann wurde sie aufgrund der Pandemie entlassen. Trotzdem sie bestens qualifiziert ist, suchte Lina-Marie Janke vergebens einen Job. Seit 1. März arbeitet sie endlich wieder. Dass sie eine neue Stelle fand, verdankt sie Job-Coach Werner Reinhard vom Projekt „AKTIV“ des Kolping-Bildungszentrums Schweinfurt.
Werner Reinhard beschäftigt sich intensiv mit jedem Teilnehmenden des Kolping-Projekts, das seit 1. Februar an den Standorten Haßfurt, Schweinfurt und Bad Kissingen angeboten wird. Der langjährig erfahrene Jobvermittler ist für Arbeitslose aus dem Raum Haßberge zuständig. Lina-Marie Janke lernte er am 8. Februar kennen. Vermittelt von der Agentur für Arbeit, kam sie zu ihm wie so viele andere: Reichlich skeptisch. „Also, als ich schon das Wort ‚Maßnahme‘ gehört habe…“, gibt Lina-Marie Janke zu und lacht. Doch ein Satz genügte, um das Eis zu brechen. „Sie sind für mich keine Nummer, sondern ein Mensch“, sagte Reinhard gleich am ersten Tag zu ihr.
Da scheint ja jemand wirklich mal ein vernünftiges Konzept für arbeitssuchende Menschen entwickelt zu haben, dachte Lina-Marie Janke und ließ sich auf die Sache ein. Ganz erstaunlich war für die ursprünglich aus Berlin stammende IT-Fachfrau, wie schnell ihr Werner Reinhard Jobs anbot: „Das waren lauter Sachen, die ich gar nicht entdeckt hatte, weil sie nicht ausgeschrieben waren.“ Nach nicht einmal zwei Wochen kam es zu einem erfolgreichen Probearbeiten bei einer Firma, die einen Systemadministrator suchte: „Ich erledigte eine Aufgabe, für die vier Stunden veranschlagt waren, in nur zwei.“ Am nächsten Montag, meinte der Chef daraufhin, könne sie gleich anfangen.
Teamwork
Nicht nur Werner Reinhard kniet sich in seine Arbeit als Job-Coach richtig hinein. Auch seine Kollegin Linda Schmidt tut alles dafür, dass Menschen, die aus irgendwelchen Gründen arbeitslos wurden, bald wieder eine Stelle erhalten. „Außerdem versuche ich, bei allen anderen Problemen zu helfen“, sagt die Sozialpädagogin. Linda Schmidt unterstützt zum Beispiel Teilnehmende, bei denen sich ein Schuldenberg angesammelt hat. Sie hilft nicht zuletzt, wenn die Arbeitslosigkeit psychisch stark belastet. Nicht alle der zwölf zwischen 18 und 61 Jahre alten Teilnehmenden, die gerade bei „AKTIV“ mitmachen, können diese Situation so gut handhaben wie Lina-Marie Janke.
Sowohl Werner Reinhard als auch Linda Schmidt tauchen tief in die Lebenswelt ihrer Klientinnen und Klienten ein. Manche brauchen ganz konkrete Tipps, wie man eine gute Bewerbung schreibt. Andere müssen die Scheu vor einem neuen Job, vor dem Vorstellungsgespräch oder der Probearbeit überwinden. Unbezahlbar sind die „Connections“, die der gelernte Bäcker Werner Reinhard aufgrund seines eigenen, bunten beruflichen Werdegangs hat: „Mich kennen sehr viele hier in der Region.“ Wegen dieses dichten Netzwerks ist sich Reinhard sicher, dass er jedem Projektteilnehmenden, der einen neuen Job haben möchten, binnen zweier Monate zu einer Stelle verhilft.
Auf geschlungenen Pfaden zum Traumberuf
Bei „AKTIV“ wird Grundwissen über den Arbeitsmarkt vermittelt. Die Job-Coaches an den drei Standorten analysieren das Bewerberprofil der Teilnehmer und sie informieren über Online-Angebote der Arbeitsagentur. „Wir holen die Leute da ab, wo sie stehen“, betont Reinhard. Und dieser „Stand“ könnte unterschiedlicher kaum sein. Da gibt es Teilnehmer, die zum ersten Mal in ihrem Leben arbeitslos sind. Nie hätten sie gedacht, dass ihnen das passieren könnte. Andere sind zum wiederholten Mal in der Situation, sich einen Job suchen zu müssen. Aus eigenem Bemühen klappt nichts: „Manche stehen kurz vor Hartz IV.“ Reinhard versucht, so zu helfen, dass langfristige Perspektiven eröffnet werden.
Leute gegen ihren Willen irgendwo reinzustecken, ist eine Milchmädchenrechnung, die am Ende nicht aufgeht: Die meisten werden früher oder später neuerlich arbeitslos werden. Und das „Spiel“ beginnt von vorn. Werner Reinhard und Linda Schmidt nehmen die Wünsche ihrer Teilnehmer ernst. „Wobei man dann, wenn sich die Wünsche einfach nicht erfüllen, schauen muss, ob man nicht doch besser seine Strategie ändert“, sagt Werner Reinhard. Er selbst ist das beste Beispiel dafür, wie sinnvoll das sein kann: Als Reinhard wegen einer Allergie nicht mehr in seinem gelernten Beruf arbeiten konnte, orientierte er sich um. Auf diese Weise kam er zu seinem Traumberuf, der Arbeitsvermittlung.
Der Ursprungswunsch der Teilnehmenden kann immer noch das Fernziel bleiben, doch sind Schleifen und Umwege erlaubt. Das hat auch Lina-Marie Janke schon hinter sich: „Ich war längere Zeit in Call-Centern tätig.“ Auch wenn das nicht direkt mit ihrer IT-Ausbildung zu tun hatte, haben die Erfahrungen sie weitergebracht. Seit Anfang März erobert sich die 34-Jährige nun einen ganz neuen Bereich: Sie ist in einem Sanitätshaus angestellt. Mit dieser Branche hatte Lina-Marie Janke bisher noch nichts zu tun gehabt. Doch die Sache gefällt ihr gut. Zudem dürfen Sanitätshäuser auch dann öffnen, wenn andere Geschäfte mal wieder zu sein müssen. Pandemiebedingte Kündigungen drohen daher nicht.