Wo Klienten keine "Fälle" sind
Sie haben jede Menge gute Tipps parat, geben Hoffnung und sind Ansprechpartnerinnen bei allen nur vorstellbaren Problemen: Annette Kolb und Josefine Werner leisten als Jobcoach viel mehr, als nur Beschäftigung zu vermitteln. Seit Februar begleiten die beiden eine Reihe von Menschen, die seit längerem arbeitslos sind. „GEO - Gemeinsam erfolgreich orientieren“ heißt das neue, vom Kolping-Bildungszentrum Schweinfurt getragene Projekt in Bad Kissingen.
Bei ihren Beratungen gehen die beiden Fachfrauen auf die Familie des Klienten ein, sie berücksichtigen gesundheitliche Beeinträchtigungen und belastende Lebenssituationen. „Kein Klient hat ausschließlich das Problem, dass er keinen Job findet“, sagt Josefine Werner mit Blick auf die 14 Männer und Frauen im Alter zwischen 16 und 60 Jahren, die derzeit begleitet werden. Da ist zum Beispiel Mohammad S. Der 55-Jährige stammt aus Syrien. Vor drei Jahren floh er mit seiner Frau und drei Kindern vor dem Krieg nach Deutschland. Nach einem Job suchte er vergebens - was an mangelnden Qualifikationen lag. „In seiner Heimat war er als Verkäufer von Handys tätig“, sagt Werner.
Endlich wieder arbeiten
Daheim herumzulungern hing Mohammad S. zum Hals heraus. Er wollte endlich wieder arbeiten. Geld verdienen. Wollte seiner Frau und den Kindern beweisen, dass er imstande ist, zum Lebensunterhalt beizutragen. „Inzwischen ist er Helfer in einem Handwerksbetrieb“, berichtet Annette Kolb. Bevor Mohammad S. in diesen Job einsteigen konnte, mussten jedoch viele Hürden überwunden werden. So waren finanzielle Probleme zu lösen: Er hatte Schulden, außerdem ging sein altes Auto kaputt. Die Jobcoaches halfen dem Syrer, ein günstiges Fahrzeug zu finden und es zuzulassen.
Viele derjenigen, die zu „GEO“ kommen, haben es nie einfach gehabt im Leben. Dazu gehört Sabine T. Sie wuchs bei einer Mutter auf, die mit der Erziehung ihrer Tochter völlig überfordert war. Sabine T. bekam wenig Liebe ab. Früh flüchtete sie sich in Alkohol, um ihre für sie selbst unerträgliche Situation besser auszuhalten. Ohne Ausbildung ging sie als junge Frau ins Ausland, wo sie versuchte, ihr Glück zu machen. Was misslang. „Heute ist sie 34 Jahre alt, hat eine achtjährige Tochter, keine Ausbildung und keinen Job“, schildert Annette Kolb.
Bündel an Problemen
Zeit zu haben, um auf individuelle Probleme einzugehen, ist vor allem dann wichtig, wenn ein Mensch wie Sabine T. ein ganzes Bündel an Problemen mitbringt. Für Sabine T. ist es überhaupt das erste Mal in ihrem Leben, dass ihr jemand intensiv zuhört und versucht, zusammen mit ihr realistische Lösungswege zu finden. Zweimal in der Woche kommt sie in die Bad Kissinger Kapellenstraße zu Kolping, um mit den beiden Jobcoaches an ihrem beruflichen Einstieg zu arbeiten. Meist dauern die Treffen zwei Stunden lang.
Sabine T. hatte Angst davor, sich alleine irgendwo zu bewerben. Denn sie ist am Computer nicht fit und hat keine Ahnung, wie heutzutage eine Bewerbung ausschaut. „Wir zeigten ihr, wie man mit dem PC ein Dokument erstellt“, schildert Annette Kolb. Im nächsten Schritt wird sie mit ihrer Klientin an einer Bewerbung tüfteln, die das Potenzial hat, unter anderen Bewerbungen hervorzustechen. Sabine T. könnte sich gut vorstellen, als Verkäuferin zu arbeiten. Auch die Gastronomie und das Hotelfach interessieren die alleinerziehende Mutter.
Die junge Generation, heißt es, habe es heute auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt so leicht wie seit Jahren schon nicht mehr. Das stimmt auch größtenteils. Dennoch gibt es genug junge Leute, die sich schwer tun, eine Lehrstelle zu finden oder beruflich unterzukommen. Das Frauenduo von „GEO“ begleitet gerade einen 17-Jährigen, der vorzeitig von der Berufsschule abging und nun mit leeren Händen dasteht. „Außerdem sind bei uns drei junge Leute im Projekt, die ihr Studium abgebrochen haben“, berichtet Josefine Werner.
Im Studium überfordert
In allen drei Fällen handelt es sich um clevere Twens, nach denen sich ein Chef die Finger lecken müsste. Allein von ihrer Intelligenz jedenfalls hätten alle drei das Zeug zu einem anspruchsvollen Job. Im Studium hatten sie sich dennoch überfordert gefühlt, vor allem aus psychischen Gründen. Annette Kolb und Josefine Werner sprechen mit diesen Klienten über den Studienabbruch und die damit verbundenen Enttäuschungen und machen Mut für einen Neuanfang jenseits des akademischen Sektors.
Langzeitarbeitslose kann man nicht über einen Kamm scheren, betonen Kolb und Werner. Die 14 Männer und Frauen, die gerade von ihnen begleitet werden, haben völlig unterschiedliche Lebenswege hinter sich. Jeder hat andere Talente und andere Schwächen. Manche wünschen sich nichts sehnlicher, als endlich wieder zu arbeiten. Andere haben resigniert und fast keine Hoffnung mehr, jemals wieder beruflich Fuß zu fassen. Nur eines ist allen gemeinsam: Sie möchten nicht mehr aufs Jobcenter angewiesen sein, möchten endlich wieder ein freies, eigenständiges Leben führen.
Erfolgsquote
Durch „GEO“ erhalten sie die Basis für einen Neustart. 4 der 14 Klienten haben inzwischen den Einstieg in den Arbeitsmarkt geschafft. In den ersten Monaten werden sie, je nach Bedarf, weiter vom „GEO“-Duo begleitet. Finanziert werden kann die Maßnahme durch einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein des Jobcenters oder der Agentur für Arbeit.
Maria Kraft