Licht am Ende des Tunnels

07.04.2021 | Schweinfurt

Privatinsolvenz. Was von außen dramatisch klingt, ist auch ein Hoffnungsschimmer. Denn in vielen Fällen ermöglicht sie den Start in ein neues, schuldenfreies Leben. Auf dem Weg dorthin begleiten die Mitarbeiterinnen der Schuldner- und Insolvenzberatung.

Was bedeutet „Privatinsolvenz“? Grob vereinfacht gesagt: Die überschuldeten Menschen müssen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ihr verwertbares Vermögen einsetzen und ihr pfändbares Einkommen an den vom Insolvenzgericht eingesetzten Treuhänder abtreten.

„Nur“ noch drei Jahre bis zur Restschuldbefreiung

Ein harter Einschnitt. Doch dessen Dauer ist nun überschaubarer geworden: Die Abtretung gilt seit Dezember 2020 nur noch für drei Jahre; zuvor war hier eine Dauer von sechs Jahren vorgesehen. Dank dieser Neuregelung erhalten Menschen, die aus den unterschiedlichsten Situationen heraus in finanzielle Notlagen geraten sind, schneller eine neue Perspektive.

Klientin S.: ihr Weg in die Überschuldung – und wieder heraus

Michaela Link ist die Leiterin der Schuldner- und Insolvenzberatung der Kolping-Bildungszentrum Schweinfurt GmbH. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen berät sie Klientinnen und Klienten aus Stadt und Landkreis Schweinfurt.

Die Folgen des geänderten Insolvenzrechts schildert Michaela Link anhand von „Klientin S.“. „Klientin S.“ ist keine reale Person. Das Schicksal der Menschen, die sich im Vertrauen an sie wenden, würde die Juristin nie öffentlich machen. Aber „Klientin S.“ ist ein Beispiel für viele, ähnliche Schicksale.

Michaela Link erzählt: „Klientin S. ist 24 Jahre alt, alleinerziehend, hat einen fast zweijährigen Sohn.  Mit 17 verlor sie den Halt, zog zuhause aus. Zeitweise war sie obdachlos. Sie häufte durch Handyverträge, Bestellungen, Bußgelder für Schwarzfahrten und ähnliches nach und nach Schulden an. Da sie sich auch bei ihrer Krankenversicherung nicht meldete, liefen dort erhebliche Beitragsschulden auf. Sie war nicht mehr versichert. 

Mit 21 realisiert sie, dass es so nicht weitergeht. Sie will ihr Leben ändern. Durch viel Willensstärke und mit Hilfe von Sozialarbeitern und Familie bekommt sie eine eigene Wohnung.  Sie fasst wieder Fuß, auch psychisch geht es ihr viel besser.  Sie will eine Ausbildung beginnen, dann wird sie schwanger. Die Ausbildung muss zurückgestellt werden.

Ihr Sohn ist nun fast zwei Jahre alt. Mit ihrem Einkommen, dem Arbeitslosengeld II, kommt sie aus. Neue Schulden hat sie schon seit Jahren nicht mehr gemacht. Aber die alten Schulden belasten sie sehr. Durch Inkasso- und Vollstreckungskosten sind diese inzwischen auf rund 9.000,00 Euro angewachsen.

Frau S. will für den Sohn ein „normales Leben“, will ihm ein gutes Beispiel sein.  Sie wird daher im nächsten Jahr eine Ausbildung anfangen und hat vor, ‚irgendwie‘ ihre Schulden nach und nach abzuzahlen.

In der Beratung besprechen wir, dass es ihr bei der Höhe der Schulden und der zu erwartenden geringen Ausbildungsvergütung nicht möglich sein wird, in absehbarere Zeit die Verbindlichkeiten abzuzahlen. Zumal sie ja auch den Unterhalt für ihr Kind noch viele Jahre sichern muss.

Durch die Verkürzung der Dauer des Verbraucherinsolvenzverfahrens auf drei Jahre, ist das Insolvenzverfahren nun eine gute Lösung. Dieses ermöglicht es ihr jetzt, schon nach dem Abschluss der Ausbildung schuldenfrei zu leben. Ohne die Angst vor Pfändungen. Ohne die Angst, sich bei einem neuen Arbeitgeber wegen der Schulden „outen“ zu müssen. 

Frau S. hat zunächst Bedenken, will doch eigentlich für ihre Schulden geradestehen. Erst nachdem wir ihr erklären, dass der Gesetzgeber doch die Insolvenz gerade deswegen geschaffen und nun die Dauer verkürzt hat, um Menschen wie ihr und ihrem Sohn einen Neustart zu ermöglichen, willigt sie ein.“

„Wohlverhalten“ als oberste Pflicht

Soviel zu ihrer, zur beispielhaften Geschichte. Die nächsten drei Jahre werden für Klientin S., so wie für alle Menschen, die in die Privatinsolvenz gehen, nicht einfach. Neben Ausbildung und Kinderbetreuung muss sie sich „wohlverhalten“, also verschiedene Pflichten einhalten. Zum Beispiel darf sie keine neuen Schulden machen und muss eng mit Insolvenzverwalter und Gericht zusammenarbeiten. Doch sie hat jetzt eben auch eine klare Perspektive. Ein Licht am Ende des Tunnels.   

Michaela Link/Stefanie Nowak