Sonst wäre die Lehre gar nicht möglich

27.01.2020 | Schweinfurt

In den nächsten Wochen steht Pauken auf dem Programm. Denn die Gesellenprüfung rückt immer näher. Und die will Matthias gut bestehen. Zum Estrichleger mausert sich der 20-Jährige gerade. Sein Ausbildungsbetrieb befindet sich in Iphofen, der Berufsschulunterricht findet blockweise in Schweinfurt statt. Immer wenn Matthias, der aus Kitzingen stammt, Berufsschule hat, nutzt er das Jugendwohnen des Kolping-Bildungszentrums Schweinfurt. Denn die Fahrerei wäre zu viel. Und viel zu teuer.

Berufsschüler können nicht zwischen verschiedenen Optionen wählen. Je nachdem, in welchem Betrieb sie eine Ausbildung durchlaufen, sind sie einer bestimmten Schule zugeordnet. So besuchen Jugendliche aus fast ganz Deutschland die Schweinfurter Berufsschule, wenn sie das Jobziel „Estrichleger“ haben. Denn es gibt nur wenige andere Berufsschulen, die diesen Zweig anbieten. Jeden Tag hin und her zu fahren, ist für viele Azubis unerschwinglich – und für einige, die sehr weit weg wohnen, absolut unmöglich. Wegen des mageren Azubilohns können sie sich auch kein Zimmer leisten. Das Jugendwohnen macht vor diesem Hintergrund die Lehre überhaupt erst möglich.

„Ich wohne mit einer Freundin zusammen.“

Auch Miriam ist auf ein günstiges Quartier angewiesen, wenn sie Berufsschulunterricht hat. Miriam wohnt in Nürnberg und erlernt den Beruf der Schneiderin. Ohne die Unterkunft bei Kolping, für die lediglich 5,11 Euro am Tag an Selbstbeteiligung aufgebracht werden müssen, wäre sie täglich fast drei Stunden unterwegs, sagt die junge Frau, die in Nürnberg in einer eigenen Wohnung lebt. Dass sie sich, während sie in Schweinfurt die Theorie ihres Traumberufs erlernt, ein Zimmer mit einer anderen jungen Frau teilen muss, stört Miriam nicht: „Ich wohne mit einer Freundin zusammen.“

Junge Menschen unterschiedlicher Nationalität und Religion finden im Jugendwohnen ein Dach über dem Kopf. Die Blockschüler sind die größte Gruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die das Angebot nutzen, erläutert Einrichtungsleiterin Anna Smith: „83 haben wir in diesem Schuljahr.“ Manche kommen im Wochenabstand wieder. Andere leben einmal im Monat für fünf Tage in der Einrichtung. Viele sind direkt im Jugendwohnen untergebracht: „Wir haben aber auch drei fußläufig erreichbare Außenwohngruppen.“ Bevor die Schüler morgens das Haus verlassen, gibt es ein Frühstück. Die meisten kehren gegen 17 Uhr zurück. Kurz danach wird das Abendessen aufgetischt.

Vom Schulabbrecher zum Azubi

Auch Jugendliche, die nicht eben auf Rosen gebettet sind, werden im Jugendwohnen aufgenommen und dort stabilisiert. Uli (Name geändert) ist so ein junger Mann, der in keinen guten Verhältnissen aufwuchs. Seine Mutter wechselte häufig ihren Partner. Was für Uli bedeutete, sich alle zwei bis drei Jahre auf einen neuen „Papa“ einstellen zu müssen. Die Situation war für Uli sehr belastend. Er ging ohne Abschluss von der Schule. Und begann, Drogen zu nehmen. „Warum er das tat, darüber haben wir mit ihm oft gesprochen“, berichtet Daniela Schwarz, Pädagogische Leiterin des Kolping-Bildungszentrums. Außerdem wurden mit Uli Zukunftspläne entwickelt.

Der 17-Jährige, dessen Motivation zunächst gering war, einen Beruf zu erlernen, entschied letztlich doch, in eine Lehre zum Fachverkäufer einzusteigen. Vor kurzem traf ihn Anna Smith zufällig in Schweinfurt auf der Straße. Und war von ihrem ehemaligen Zögling begeistert: „Die Ausbildung gefällt Uli, er macht gute Fortschritte.“

Auch die Schülerinnen und Schüler, die in Schweinfurt blockweise am Berufsschulunterricht teilnehmen, profitieren vom pädagogischen Angebot des Jugendwohnens. „Wir vermitteln, wenn es Schwierigkeiten mit einem Lehrer oder mit dem Meister gibt“, sagt Smith. Überhaupt können sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit allen Fragen, die auftauchen, und beide denen sie selbst nicht weiterwissen, an das Team des Jugendwohnens wenden. Das können auch Konflikte mit den Eltern sein. Die meisten jedoch kommen sehr gut alleine klar: „Unsere Blockschüler sind äußerst selbständige junge Menschen.“

Junge Flüchtlinge auf dem Weg in ein selbstständiges Leben

Während bei den meisten Blockschülern alles läuft wie geplant, haben die jungen Flüchtlinge, die innerhalb des Jugendwohnens in einer „Verselbständigungsgruppe“ leben, nach wie vor so manche Probleme bei der Alltagsbewältigung. Drei junge Männer, die nach Deutschland geflohen sind, leben aktuell in einer WG zusammen. Ein vierter zog kürzlich aus, nachdem er volljährig geworden war, berichtet Smith: „Er wird jedoch noch eine Weile von uns nachbetreut.“

Mit dem 18. Geburtstag jede weitere Hilfe zu stoppen, sollte tunlichst vermieden werden, appelliert Smith. Denn es gibt für die jungen Leute immer noch viele Klippen, an denen sie scheitern können. Im schlimmsten Fall wird eine Ausbildung, die mit viel Mühe und Geduld eingefädelt worden war, abgebrochen. Was den Sinn aller vorangegangenen Hilfen in Frage stellt. Und für den jungen, allein gelassenen Menschen bedeuten kann, dass er überhaupt keinen Anschluss mehr findet.

Pat Christ